Auschwitz mit eigenen Augen gesehen…

Trilaterale Gedenkstättenfahrt mit Jugendlichen aus Odolanòw (Polen), Cholet (Frankreich) und Heringen/Werra (Deutschland)

Am Sonntag, den 06. Januar 2019, brachen wir, eine Gruppe von acht Jugendlichen der Werratalschule, um 1 Uhr nachts in Richtung Oświęcim in Polen auf. Nach etwa neun Stunden Fahrt und wenig Schlaf kamen wir schließlich gegen 10 Uhr im eingeschneiten und ziemlich kalten Oświęcim an.

Nachdem wir unsere Zimmer in der Internationalen Jugendbegegnungsstätte (IJBS) bezogen hatten, begrüßten wir die polnische Gruppe aus Odolanòw, unserer Partnerstadt in Polen. Der Flug der französischen Gruppe hatte leider Verspätung, weswegen die französischen Jugendlichen eine halbe Stunde später ankamen als geplant. Wir begrüßten die französischen Jugendlichen und trafen uns dann zum Mittagessen.

Am Nachmittag hatten wir eine Stadtführung, in welcher wir gelernt haben, dass Oświęcim nicht gleich Auschwitz ist, was zumindest mir das Gefühl gegeben hat, dass die Einwohner der polnischen Kleinstadt trotz dem dort Geschehenen ein normales Leben führen wollen.

Abends haben wir uns in der trinationalen Gruppe getroffen, wo wir einige Sprachanimationen durchgeführt haben, welche allesamt sehr lustig waren. Danach machten ein paar Jugendliche unserer deutschen Gruppe das Angebot, sich noch im sogenannten „Haus der Stille“ zu treffen, um den Abend ausklingen zu lassen, was leider nicht von den anderen Nationen wahrgenommen wurde und wir schließlich alleine im „Haus der Stille“ saßen und Musik hörten.

Am Montag haben wir vormittags erneut Sprachanimationen durchgeführt sowie die wichtigsten Wörter und Sätze der uns unbekannten Sprachen unserer Partner gelernt. Danach stiegen wir inhaltlich in das Thema ein, was eine Tour um das Stammlager Auschwitz (auch Auschwitz I) beinhaltete. Nach dieser Tour wurde uns langsam bewusst, wie unfassbar groß das Gebiet Auschwitz war. Abends trafen wir uns in den jeweiligen Nationengruppen und reflektierten das Erlebte, bevor wir im „Haus der Stille“ erneut den Abend ausklingen ließen, diesmal auch mit Jugendlichen der anderen Nationen.

Dienstags ging es uns allen sehr unter die Haut. Wir besuchten das Stammlager Auschwitz, welches von 1940 bis 1945 in Betrieb war und waren alle unfassbar berührt, als wir gesehen haben, unter welchen Bedingungen die Inhaftierten dort leben mussten. Die für uns schlimmste Station bei der Besichtigung war Block 11, der „Todesblock“, wo die Inhaftierten gefoltert, das „Gericht“ der SS Todesurteile im Fünf-Minuten-Takt aussprach und die Verurteilten an der „schwarzen Wand“ exekutiert wurden. Ebenfalls wurden im Keller von Block 11 die ersten Vergasungsversuche mit Zyklon B von dem damaligen Lagerführer Fritzsch durchgeführt. In diesem „Todesblock“ war der damals inhaftierte Stanislaw Hantz (Staszek, ein Überlebender, welcher 2008 verstarb) 53 Tage lang inhaftiert, weil er ein Medikament gegen Krätze aus der Stadt ins Lager schmuggelte, welches er erhielt, als er Material für die Zimmerei in der Stadt holte. Er überlebte länger als jeder andere Häftling im „Todesblock“. Abends reflektierten wir erneut die erlebten Dinge in den jeweiligen Nationengruppen und wir sprachen über Geschichten von Staszek, welche uns alle sehr berührten.

Eingang des früheren Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz

Am Mittwoch besuchten wir Auschwitz-Birkenau, das riesige Konzentrations- und Vernichtungslager im Ort Brzezinka, etwa 3 Kilometer von Oświęcim entfernt, errichtet im Jahr 1941. Wir besuchten das Männerlager, welches aus Pferdestallbaracken bestand, welche ursprünglich für 52 Pferde vorgesehen waren, jedoch lebten dort 400 bis 1000 Häftlinge auf engstem Raum mit Ungeziefer, Dreck und ausbrechenden Krankheiten. Im Frauenlager gab es ebenfalls einen „Todesblock“, in welchem die Frauen auf ihre Vergasung warteten und wer Pech hatte, musste über mehrere Nächte lang auf dem kalten Boden schlafen, während andere wenigstens auf Holzbrettern über dem Boden schliefen. Den Frauen dort war bewusst, dass sie sterben würden und uns war es unbegreiflich, wie Menschen anderen Menschen etwas so Grausames antun können.

Abends reflektierten wir das Erlebte in der trinationalen Gruppe und sprachen über unsere Gedanken an diesen grauenhaften Ort, danach ließen wir den Abend erneut im „Haus der Stille“ ausklingen.

Am Donnerstag besuchten wir die „Vernichtungsbereiche“ von Auschwitz-Birkenau, was uns unfassbar traurig machte und uns sehr berührte. Wir konnten alle nicht begreifen, wie sehr der Hass der Menschen gegenüber der Juden gewesen sein muss. Wir erhielten ebenfalls alle eine Rose, die wir dort niederlegen konnten, wo wir es für richtig hielten. Viele legten sie an den Gedenktafeln für die ermordeten Juden nieder, andere jedoch an der alten Baracke von Staszek, wo erneut viele Tränen flossen, am Tag zuvor zündeten wir dort drei Kerzen für Staszek und seine damaligen Kameraden an. Als wir am Nachmittag von der längsten Tour der Woche zurückkamen, trafen wir uns nach dem Abendessen erneut im „Haus der Stille“, wo wir aufschreiben sollten, was wir von dieser Fahrt mitnehmen, bevor wir alle ein Teelicht anzünden konnten und etwas dazu sagen konnten, wenn wir dies wollten. Erst dann wurde uns bewusst, dass dies unser letzter Tag in der trinationalen Gruppe ist, weswegen wir im Kollektiv weinten, weil uns die anderen Jugendlich so dermaßen ans Herz gewachsen waren. Nachdem wir uns alle gegenseitig getröstet hatten, ließen wir den Abend noch im „Haus der Stille“ ausklingen.

zum Gedenken an die in Auschwitz umgekommenen Opfer niedergelegte Rose

Freitags war es dann soweit: „Abschied nehmen“. Nach dem Frühstück brachten wir unser Gepäck ins Foyer zur Rezeption, um dort die anderen Nationengruppen zu verabschieden. Es fielen unglaublich viele Tränen und Versprechen für Besuche wurden ausgesprochen, bevor sich die polnische Gruppe auf den Weg zurück nach Odolanòw machte, die französische Gruppe den Weg nach Krakau zum Flughafen und wir den Weg nach Heringen antraten.

Nachdem wir dann in Dresden vier Stunden im Stau standen, kamen wir wohlbehalten um 23:30 Uhr in Heringen am Rathaus an.

Abschließend kann man sagen, dass wir alle auf dieser Fahrt unfassbar viel gelernt haben und wir das Leben jetzt mit anderen Augen sehen. Wir realisierten, dass das Leben wertvoll und nicht sinnlos ist.

Ich bedanke mich im Namen aller deutschen Teilnehmer für die Organisation und Durchführung der Gedenkstättenfahrt.

Danke!

Merci!

Dziękuję!

Gruppenbild der jugendlichen Besucher der Gedenkstätte Auschwitz aus Polen, Frankreich und Deutschland

geschrieben von Natascha

Eine Antwort auf „Auschwitz mit eigenen Augen gesehen…“

  1. Danke an die Autorin für diesen eindringlichen und ausführlichen Bericht über das interessante Projekt. Die schönen Bilder, besonders das der „traurigen Rose“, schaffen eine passende Atmosphäre. Ich finde es unglaublich wichtig, dass wir an der Schule solche Unternehmungen machen, die interkulturellen Austausch, soziale Kontakte und bedeutsame Geschichte verbinden. :-*

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